O tematach polskiej kampanii, wynikach wyborów i długofalowych skutkach aktualnego rozkładu sił parlamentarnych w perspektywie europejskiej pisze dla niemieckiej publiczności dyrektorka Fundacji Irene Hahn-Fuhr.
Artykuł w PDF Dłuższa analiza po niemiecku
Sieg der Nationalkonservativen in Polen
Den polnischen Präsidenten stellt die nationalkonservative PiS bereits seit Mai 2015, jetzt hat sie auch noch die absolute Mehrheit im Parlament. Keine linke Kraft schaffte den Einzug. Wie vertreten sich die Wähler/innen von dem Rechtsruck tatsächlich fühlen, wird sich erst mittelfristig zeigen.
Am Sonntag, den 25. Oktober 2015, wurde in Polen ein neues Parlament gewählt. Eindeutiger Wahlsieger mit einer absoluten Mehrheit von 232 Sitzen ist die sich seit 2007 in der Opposition befindende nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit - Prawo i Sprawiedliwość) von Jarosław Kaczyński mit 37,6 Prozent der Stimmen. Ihr folgt abgeschlagen auf Platz 2 die von vielen als „verbraucht“ wahrgenommene bisher regierende PO (Bürgerplattform - Platforma Obywatelska) mit 24,1 Prozent.
Ebenfalls vertreten sein werden die Formationen Kukiz’15 mit 8,8 Prozent, Modernes Polen (NowoczesnaPL) mit 7,6 Prozent und die PSL (Bauernpartei - Polskie Stronnictwo Ludowe) mit 5,1 Prozent der Stimmen. In der außerparlamentarischen Opposition verbleiben die Vereinigte Linke (Zjednoczona Lewica) mit 7,5 Prozent (es gibt in Polen eine 8 Prozent-Hürde für Wahlbündnisse), KORWiN mit 4,7 Prozent und Gemeinsam (Razem) mit 3,6 Prozent. Damit bildet sich erstmals seit 1918 ein Parlament komplett ohne die politische Linke.
Voraus ging ein inhaltlich abwechslungsreicher Wahlkampf. Die Wähler/innen hatten durch das Entstehen neuer Gruppierungen auf dem gesamten politischen Spektrum (Rechts: Kukiz´15, Mitte: NowoczesnaPL, Links: Razem) eine Vielzahl unterschiedlicher wirtschafts- und sozialpolitischer Angebote zur Auswahl. Auch standen sich im direkten Duell um das Amt des Premierministers mit Ewa Kopacz (PO) und Beata Szydło (PiS) erstmals zwei Frauen gegenüber. Der durch Andrzej Duda im Präsidentschaftswahlkampf geschickt gesetzte Slogan „Zeit für einen Wechsel“ unterstrich den Charakter einer Richtungswahl, von dem praktisch alle oppositionellen Formationen zu profitieren suchten. Obwohl die PO das Land in den vergangenen acht Jahren auf eine ökonomische Erfolgsgeschichte geführt hat, wurde ihr ein wahrgenommener Kontaktverlust mit den Bürger/innen zum Verhängnis.
Das links-grüne Wahlbündnis ist gescheitert
Vergebens traten die polnischen Grünen gemeinsam mit der Union der demokratischen Linken (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), Deine Bewegung (Twój Ruch – TR) von Janusz Palikot und der inzwischen eher unbedeutenden Union der Arbeit (Unia Pracy – UP) in der Vereinigten Linken (Zjednoczona Lewica – ZL) an. Das Wahlbündnis hatte sich vor allem für eine Erhöhung des Mindesteinkommens um fast 50 Prozent auf umgerechnet knapp 600 Euro eingesetzt, für höhere Renten, eine Reindustrialisierung und staatliche Exportförderung nach deutschem Vorbild, verstärkte Investitionen in Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau sowie den Ausbau erneuerbarer Energien.
Im Kontrast zur sich positiv entwickelnden programmatischen Profilbildung der politischen Gruppierungen fiel die zunehmende Aggressivität in Stil und Ton auf, in der die Kampagnen und Debatten geführt wurden. Wie bereits im Präsidentschaftswahlkampf erfolgreich getestet, betrieb die PiS, die stets im Stile Viktor Orbáns ihren Anspruch auf eine absolute Mehrheit unterstrich, im Internet erneut eine massive Negativkampagne gegen die PO. Aber auch KORWiN, Kukiz und stellenweise sogar Razem griffen ihre politischen Gegner mit zweifelhaften Methoden wie persönlicher Diffamierung an.
Energiepolitik spielte untergeordnete Rolle
Die Kernthemen des Wahlkampfs waren fast ausschließlich innenpolitischer Natur. Vor allem Arbeits- und Sozialpolitik wie Renteneintrittsalter, Kindergeld, Abschaffung nicht sozialversicherter Arbeitsverträge und Anhebung des Mindestlohns dominierten die Debatten. Zur Erhöhung des Steueraufkommens wurden v. a. stärkere Besteuerung von Großverdienern, Konzernen und Banken versus Erleichterungen für Mittelstand und Kleinunternehmer diskutiert.
Energiepolitik spielte eine untergeordnete Rolle, da weiterhin grundsätzlich Einigkeit bezüglich Kohle als energetischem Fundament der polnischen Wirtschaft besteht. Die Frage ist lediglich, wie genau die maroden Bergwerke gerettet werden sollen, wobei konkrete Konzepte nicht präsentiert wurden. Kernenergie wurde von PiS ausschließlich als Beispiel für die Verschwendung öffentlicher Gelder im Zusammenhang mit Verspätungen beim Bau von Kraftwerken thematisiert. Trotz des unlängst vor allem mit Hilfe der Stimmen von PiS verabschiedeten Gesetzes zu erneuerbaren Energien tauchte dieses Thema im Wahlkampf kaum auf. Ob und wie sich die neue Regierung an die im Wahlkampf versprochene „Neuverhandlung des Klimapakets“ machen wird, bleibt abzuwarten.
Mit Ressentiments gegen Migrant/innen
Dass die proeuropäischen Polen ausgerechnet eine europaskeptische Partei an die Regierung wählen, ist bemerkenswert, sollte jedoch nicht überbewertet werden. Wenn auch von der PiS eine Korrektur der bisherigen Europapolitik in Richtung einer noch markanteren Vertretung nationaler Interessen zu erwarten ist, so bleibt die Agenda der neuen Regierung vor allem innenpolitisch ausgerichtet. Das konkrete Verhalten auf dem internationalen Parkett dürfte im gewissen Maße von Erfolgen oder Fehlschlägen „zu Hause“ abhängen. „Erst Polen, dann die Nachbarn, danach Europa“ – dieses Credo von Paweł Kukiz gilt gewiss auch für die PiS. Ob sie sich auch von antideutschen Reflexen wird leiten lassen, bleibt abzuwarten. Präsident Duda war bisher eher um kooperative Signale gegenüber den europäischen Partner/innen bemüht und suchte die schlechten Erinnerungen an die PiS-Regierungsjahre 2005-2007 als „von den Medien aufgebauscht“ zu zerstreuen.
PiS spricht sich bisher mit der Begründung der Kosten gegen die Einführung des Euro aus. In diesem Zusammenhang wird auch über die Verabschiedung eines sogenannten „Souveränitätsgesetzes“ spekuliert, das das „Primat der polnischen Verfassung über EU-Recht und EuGH-Urteile bestätigen“ und zu einer „Evaluierung bestehender Integrationsprojekte“ beitragen soll. In der Flüchtlings- und Migrationspolitik wird PiS wohl darauf verweisen, ein klares Mandat für eine abgrenzende Linie erhalten zu haben. Kaczyński hatte im Wahlkampf persönlich Ressentiments gegenüber Migrant/innen weiter geschürt und vor Überfremdung gewarnt.
Ob sich die neue Regierung an die eingegangenen europäischen Kompromisse halten wird, die als „verratene Solidarität mit den Visegrád-Staaten“ gebrandmarkt wurden, ist mit vielen Fragezeichen behaftet; ebenso wie sich die zukünftige Beziehung mit den EU-Institutionen entwickeln wird, die im höchsten Amt vom Präsidenten des Europäischen Rats Donald Tusk repräsentiert werden, einem Intimfeind von Jarosław Kaczyński.
In der regionalen Zusammenarbeit vertreten Konservative verschiedener Couleur seit Jahren den Anspruch einer selbstbewussten Regionalmacht. Dies betrifft nicht nur Visegrád, sondern auch die baltischen Staaten. Allerdings ist nicht ausgemacht, ob und in welchen Bereichen sich die Nachbarstaaten überhaupt eine Führungsrolle Warschaus wünschen. Mit Blick auf den Russland-Ukraine-Konflikt könnte die polnische Politik mit Macht in ein erweitertes Format an den (Minsker) Verhandlungstisch drängen, um symbolisch ihre Überlegenheit gegenüber der Vorgängerregierung unter Beweis zu stellen.
Ende eines Wahlmarathons
Mit dem vergangenen Sonntag hat ein anderthalbjähriger Wahlmarathon – Mai 2014 Europaparlamentswahlen, November 2014 Kommunalwahlen, Mai 2015 Präsidentschaftswahlen, Oktober 2015 Parlamentswahlen – sein vorläufiges Ende gefunden. Es bleibt kurzfristig zu hoffen, dass Polen sich in der Erholung von dieser langen Phase permanenter Wahlkampfstimmung und mit zunehmender Beruhigung der Rhetorik nun verstärkt der Lösung dringender politischer Herausforderungen widmen wird – national wie europäisch. Erst mittelfristig wird sich zeigen, wie sich die polnische Bevölkerung in der neuen politischen Landschaft wiederfindet und tatsächlich vertreten fühlt.